Ich sammle Synonyme für den Begriff "Sorge um sich", um auf diese Weise mein Begreifen, mein Verstehen des Begriffs zu erweitern.
Vielleicht inspirieren diese Begriffe/Synonyme auch euch, regen weitere Assoziationen und Suchrichtungen an. Daher liste ich sie einfach mal auf und setze darunter (nach und nach) Exzerpte/Zitate aus den Quellen, aus denen ich die Begriffe habe.
Dieser "Artikel" wird also nach und nach erweitert ...
Ein Artikel zum Begriff "Sorge um sich" schwerpunktmäßig basierend auf den Foucaultschen Werken "Sorge um sich" und "Hermeneutik des Subjekts" findet sich hier.
Übermensch1
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Sich selbst als Werk erschaffen2
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sein Leben als Experiment leben3
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Genius/Ingenium4:
Genius nannten die alten Römer den Gott, dessen Schutz jeder Mensch bei seiner Geburt anvertraut wird. (...) dieser Gott [ist] in gewissem Sinn der innerste und eigenste (...)
Aber wie sich deutlich zeigt an dem Begriff ingenium, der Bezeichnung für die Summe der körperlichen und geistigen Eigenschaften, die dem ins Sein Kommenden angeboren sind, war Genius gewissermaßen die Vergöttlichung der Person, das Prinzip, das ihr ganzes Dasein trägt und ausdrückt.
Auf wunderbarste tritt die geheime Beziehung, die jeder von uns mit seinem Genius pflegen sollte, in dem lateinischen Ausdruck indulgere Genio zu Tage. Man muß dem Genius nachgeben, sich ihm ergeben, dem Genius müssen wir alles gewähren, was er von uns verlangt, denn sein Bedürfnis ist unser Bedürfnis, sein Glück ist unser Glück. Auch wenn seine - unsere! - Ansprüche unsinnig und launenhaft erscheinen mögen, tun wir gut daran, sie ohne Widerrede zu akzeptieren.
Und genialis, dem Genius gemäß, ist das Leben, das den Blick vom Tod wegrückt und ohne Zaudern dem Antrieb des Genius folgt, der es gezeugt hat.
Die in Genius enthaltene Auffassung vom Menschen begreifen, heißt verstehen, daß der Mensch nicht nur Ich und individuelles Bewusstsein ist, sondern daß er von der Geburt bis zum Tod eigentlich mit einem unpersönlichen und vorindividuellen Element zusammenlebt. Der Mensch ist somit ein einziges Wesen (...), das aus der Dialektik zwischen einem (noch) nicht ausgemachten und gelebten Teil und einem schon vom Geschick und der individuellen Erfahrung gezeichneten entsteht.
Alles Unpersönliche in uns ist genialis, vor allem die Kraft, die das Blut in unseren Adern antreibt oder uns in Schlaf sinken läßt, die unbekannte Macht, die so sanft die Wärme in unserem Körper reguliert (...), dort wo das Ureigenste das Fremdeste und Unpersönlichste, das Nächste das Entfernteste und Unbeherrschbarste ist. (...) Mit dem Genius leben, heißt in diesem Sinn im Innersten eines fremden Wesens leben, beständig eine Beziehung zu einer Region der NIcht-Kenntnis aufrechterhalten. (...) Der vertraute Verkehr mit einer Region der Nicht-Kenntnis ist eine tägliche mystische Praxis, in der das Ich in einer Art besonders, freudiger Esoterik lächelnd seiner eigenen Auflösung beiwohnt (...) Genius ist unser Leben, insofern es uns nicht gehört.
Wir müssen also das Subjekt als ein Spannungsfeld ansehen, dessen antithetische Pole der Genius und das Ich sind.
Poetisch ist das Leben, das sich in der Spannung zwischen dem Persönlichen und dem Unpersönlichen, zwischen dem Ich und dem Genius befindet, aber panisch ist das Gefühl, daß Genius uns überall überragt und übertrifft, daß uns etwas unendlich Größeres geschieht, als wir ertragen zu können glauben. Deswegen fliegen die meisten Menschen entsetzt vor ihrem unpersönlichen Teil oder versuchen ihn heuchlerisch ihrer eigenen winzigen Statur anzupassen. Da kann es geschehen, daß das zurückgewiesene Unpersönliche in der Gestalt noch unpersönlicherer Symptome und Ticks, mit einer noch übertriebeneren Grimasse wieder auftaucht.
[Ich denke nicht, dass das "geschehen kann", sondern dass es in jedem Menschenleben geschieht, und wir uns somit alle über unsere Symptome und Ticks unserem zurückgewiesenen Genius nähern können. Anschauen. Anschauen, welche Funktion dieser "Tick" hat: Welche Angst soll er lindern, was vermeiden? In dem Moment zu unterscheiden zwischen Gefühlen und dem Schmerz (oder noch bewertungsfreier einer Intensität, Erfahrung), den die Gefühle überdecken sollen. Um diese Erfahrung/Empfindung zu vermeiden, entwickeln wir höchst belastende Gefühle (Ticks, Symptome). Aber vielleicht ist die Angst vor dem Schmerz schlimmer als der Schmerz selbst? Wage es, ihn wahrzunehmen, zuzulassen. Lass ihn kommen und lass ihn wieder los. Er will gefühlt werden, solange er eben da ist: für einen Augenblick]
Auf der Schwelle zur Region der Nicht-Kenntnis muß das Ich seine Eigenschaften ablegen, muß sich rühren lasen. Und die Leidenschaft ist das zwischen uns und Genius gespannte Seil, über das seiltänzerisch das Leben geht. (…) dieses ewig unreifen, unendlich halbwüchsigen Teils in uns, der auf der Schwelle zu jeder Festlegung zögert. Und es ist dieser ausweichende Knabe (…) der uns zu den anderen hinschiebt, bei denen wir nur die Gemütsbewegung suchen, die in uns unverständlich geblieben ist, in der Hoffnung, daß sie sich wie durch ein Wunder im Spiegel des anderen kläre und erhelle.
Wenn Genius unser Leben ist, insofern es uns nicht gehört, dann müssen wir etwas verantworten, für das wir nicht verantwortlich sind (…).
Genius hat eine Entsprechung in der christlichen Vorstellung vom Schutzengel (…) Aber am klarsten und unerhörtesten wird er in der iranischen Engelskunde beschrieben. Nach dieser Lehre leitet ein Engel namens Daena, der die Gestalt eines schönen Mädchens hat, die Geburt jedes Menschen. (…) das Antlitz des Engels [bleibt] im Lauf der Zeit nicht unverändert, sondern verwandelt sich, wie das Bildnis des Dorian Gray, unmerklich bei jeder unserer Gebärden, bei jedem unserer Worte und jedem unserer Gedanken. So sieht die Seele im Augenblick des Todes ihren Engel je nach ihrer Lebensführung in ein noch schöneres Geschöpf oder in einen grauenhaften Dämon verwandelt auf sich zu kommen und hört ihn flüstern: „Ich bin deine Daena, die deine Gedanken, deine Worte, deine Taten gebildet haben.“
Wenn wir jemanden lieben, so lieben wir deshalb weder seinen Genius noch seinen Charakter (geschweige denn sein Ich), sondern seine besondere Weise, den beiden zu entwischen, sein rasches Hin und Her zwischen Genius und Charakter.
Es kommt aber für jeden der Augenblick, in dem er sich von Genius trennen muß. Es kann nachts sein, unvermutet, wenn du beim Lärm einer vorbeiziehenden Gesellschaft, du weißt nicht warum, spürst, daß dich dein Gott verläßt. Oder sind wir es, die wir ihn verabschieden, in der klarsichtigen, letzten Stunde, in der Prospero seine Zaubereien niederlegt und weiß, daß die Kraft, die ihm jetzt noch bleibt, seine eigene ist (…)
[Wenn ich mein Werk vollendet habe, weil es keine Notwendigkeit mehr gibt, noch an einem Werk zu arbeiten, wenn alles gut ist, wie es ist, und ich bin, wie ich bin.]
(Hervorh. in Fett von P.B.)
1 Nietzsche. In: Stifung Weimarer Klassik
2Ebd.
3Ebd.
4 Giorgio Agamben (2005): Profanierungen. Frankfurt, edition suhrkamp. S. 7 - 17.