Heute habe ich einen ganz spannenden, ermutigenden Artikel gelesen: Ein Interview:
"Der Rechtsphilosoph Uwe Volkmann erklärt die Zurückhaltung der Gerichte und weshalb der Staat nicht jedes Leben retten kann."
(Interview vom 30.04.20)
Es geht wieder um die Thematik Menschenwürde vs. Menschenleben. Leider wird diese Differenz meiner Ansicht nach in der Menschenrechtsbildung nicht klar vermittelt. Zum Thema Menschenrechtsbildung habe ich 2018 eine Arbeit geschrieben: "Plädoyer für eine Kritische Menschenrechtsbildung" (Link zu Zusammenfassung).
Balbierer, Thomas: Die Gesellschaft erobert ihre Freiheiten zunehmend zurück. URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/grundrechte-coronavirus-lockerungen-1.4892342 [Zugriff 19.09.20]
Auszüge:
"SZ: Herr Volkmann, Sie haben vor einem Monat darauf hingewiesen, dass der "totale Schutz" vor dem Coronavirus ohne Berücksichtigung der "gesellschaftlichen Folgekosten" unrealistisch sei. Hat die Politik falsch gehandelt?
Uwe Volkmann: Zumindest läuft die Kommunikation nicht richtig. Man müsste klar angeben, was das Ziel der Beschränkungen ist. Das hat die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung gemacht: Es geht um eine kapazitätsgerechte Steuerung der Pandemie, also um die Verhinderung italienischer Zustände in den Krankenhäusern. In anderen Darstellungen ist das nicht immer so eindeutig. Der bayerische Ministerpräsident hat die Beschränkungen mit dem Satz begründet "Jede Infektion, jeder Tote ist zu viel" [Hervorhebung von PB]. Das ist ein Ziel, das man realistisch nicht erreichen kann. Wenn wir in anderen Politikbereichen auch so verfahren würden, hätten wir längst nicht nur ein Tempolimit auf Autobahnen, sondern müssten das Autofahren generell verbieten.
Das ist dieselbe Auffassung, die auch Wolfgang Schäuble vertritt.
Schäuble hat mit seiner Äußerung eine Kontroverse hervorgerufen, dabei hat er nur ausgesprochen, was bis zu Beginn der Corona-Krise allgemeiner Konsens in der Bundesrepublik war. Dass es in der Rangfolge unserer Güterwerte innerhalb der Verfassung nur eines gibt, was über allem anderen steht, und das ist die Menschenwürde. Deshalb kann es bei der Bekämpfung der Krankheit nur darum gehen, Situationen zu vermeiden, in denen Krankenhäuser entscheiden müssen, wer weiterleben darf und wer nicht. Aber die Vermeidung von Krankheit oder Ansteckung um jeden Preis kann kein sinnvolles Ziel von Politik in dieser Lage sein.
(…)
Die Gerichte sind im Laufe der Zeit immer mutiger geworden und sie haben den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einigen Bereichen wieder zur Geltung gebracht.