Gerade lese ich "Nietzsche. Ein Lesebuch von Gilles Deleuze", in dem sich viele Originalzitate finden. und da ich gerade verwirrt bin und oder Bahnhof verstehe, dachte ich ich schreibe das in einen Blog.
Die Zitate stammen alle aus dem "Ecce homo", Vorwort. Es geht um das Thema: Was ist ein Philosoph und Nietzsche bekennt sich als "Jünger des Philosophen Dionysos".
"Von mir werden keine neuen Götzen aufgerichtet; die alten mögen lernen, was es mit tönernen Beinen auf sich hat. Götzen (mein Wort für „Ideale“) umwerfen – das gehört schon eher zu meinem Handwerk. Man hat die Realität in dem Grade um ihren Wert, ihren Sinn, ihre Wahrhaftigkeit gebracht, als man eine ideale Welt erlog … Die „wahre Welt“ und die „scheinbare Welt“ - auf deutsch: die erlogene Welt und die Realität … Die Lüge des Ideals war bisher der Fluch über die Realität, die Menschheit selbst ist durch sie bis in ihre untersten Instinkte hinein verlogen und falsch geworden (...)"
Für mich widersprüchlich: Geht es bei Nietzsche nicht immer um die Umwertung der Werte, die alten Werte umwerfen und eigene, neue erschaffen, also sehr wohl und eben gerade: „neue Götzen aufzurichten“, die alten nicht unangetastet lassen?
Oder was ist der Unterschied zwischen Idealen und Werten? Vielleicht versteht er unter dem ersten etwas, das (noch) nicht real ist, ein Phantom, mit dem das „echte Leben“ gegängelt wird? Während Werte etwas sind, das sich direkt auf das reale Leben bezieht? Ach, ich bräuchte Beispiele, ich finde das steht auch auf tönernen Beinen.
"Philosophie, wie ich sie bisher verstanden und gelebt habe, ist das freiwillige Leben in Eis und Hochgebirge – das Aufsuchen alles Fremden und Fragwürdigen im Dasein, alles dessen, was durch die Moral bisher in Bann geraten war. (…) Wieviel Wahrheit erträgt, wieviel Wahrheit wagt ein Geist? (…) Jede Errungenschaft, jeder Schritt vorwärts in der Erkenntnis folgt aus dem Mut, aus der Härte gegen sich, aus der Sauberkeit gegen sich …Nitimur in vetitum1: in diesem Zeichen siegt einmal meine Philosophie, denn man verbot bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit."
Bin noch verwirrter: nun verwendet er selbst Differenzen wie Wahres (und infolgedessen auch Falsches), das man offensichtlich erkennen kann – und somit die Unterscheidung machen kann: Ich habe Recht, du hast Unrecht. Noch dazu scheint diese Form von Erkenntnis Mut, Härte und Sauberkeit vorauszusetzen, das klingt für mich doch wieder nach einer Negation des Lebens, sich aufgrund des Ideals der wahren Erkenntnis Härte antun. Ja, das erlebe ich gerade am eigenen Leib. Ist das nicht der Geist der Schwere?
1Nitimur in vetitum (lat.), "Wir trachten (gern) nach dem Verbotenen", Citat aus Ovid ("Amores", III, 4, 17).
Quelle: https://www.enzyklo.de/Begriff/Nitimur_in_vetitum