Masterthesis im Studiengang "Kindheitswissenschaften und Kinderrechte" an der Hochschule Magdeburg-Stendal
vorgelegt von Priska Buchner am 17.12.2020, Benotung 1,0
Gutachterinnen: Prof. Dr. Beatrice Hungerland, Dr. Sevasti Trubeta
Emanzipation und Disziplinierung
Impulse aus den Theorien von Michel Foucault und Norbert Elias für die Kindheitswissenschaften
Als Auslöser für das Thema dieser Arbeit möchte ich einen Satz über Michel Foucault nennen, auf den ich in Vorbereitung einer Hausarbeit im Modul Transdisziplinäre Perspektiven auf die Kindheitswissenschaften gestoßen war: Michel Foucault weise „jedem naiven Emanzipationsdenken nach, daß es in die Falle seiner eigenen Dialektik läuft, sofern es, Emanzipation betreibend, Disziplinierung bewirkt.“1
Keine Frage, so schien mir, müssten ganz besonders die Kindheitswissenschaften und Kinderrechte diese Warnung beherzigen, sie in ihren theoretischen Grundannahmen über Kinder/Kindheiten, Agency und Advocacy, und in ihren Anstrengungen zur Umsetzung der Kinderrechte reflektieren, eben auf „Gegenstrategien hinausdenken“2, um nicht in diese „Falle“ des „naiven Emanzipationsdenken“ zu laufen.
Auf eine Empfehlung hin begann ich Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses3 zu lesen und fühlte mich schon bald bestärkt, dieses Buch von Foucault als Basisliteratur für mein Thema rund um Emanzipierung und Disziplinierung zu wählen. So formulierte ich als ‚Motto‘ des Textes nach dem ersten Lesen: ‚Die Geschichte des Strafens ist eine Geschichte der Erziehung‘.4
Des Weiteren stellte auch die Soziologie für mich persönlich eine Leitdisziplin im Studium dar, so dass ich in fast allen Seminaren eine Verortung des Themas aus soziologischer Perspektive versuchte. So wollte ich nun endlich – sozusagen zum Abschluss meines Studiums – einen Klassiker der Soziologie lesen: Norbert Elias‘ Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen5. Sehr schnell begann ich während des Lesens Parallelen zu Foucaults Überwachen und Strafen zu ziehen, wodurch das Bedürfnis entstand, beide aufeinander und schließlich auf die Kindheitswissenschaften zu beziehen.
Der Ausgangspunkt für diese Arbeit war also die Frage, ob sich das, was Wolfgang Welsch in seinem Zitat, Norbert Elias in Über den Prozeß der Zivilisation und Foucault in Überwachen und Strafen ausdrücken, auf die Emanzipation von Kindern und die Stärkung von Kinderrechten übertragen? Wie können wir ein ‚naives Emanzipationsdenken‘ vermeiden?
1Wolfgang Welsch (1991): Präzision und Suggestion. Bemerkungen zu Stil und Wirkung eines Autors. In: Ewald, Francoise/Waldenfels, Bernhard (Hrsg.): Spiele der Wahrheit – Michel Foucaults Denken, Frankfurt: Suhrkamp. S. 143.
2Ebd.
3Michel Foucault (1977): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. 1. Aufl. Frankfurt: Suhrkamp.
4Vgl. dazu Kapitel 1.2 zur Auswertungsmethode.
5Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Band 1 (1978): Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes. 5. Aufl. Band 2 (1979): Wandlungen der Gesellschaft: Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation. 6. Aufl. Frankfurt: stw.