Ich sehe die derzeitigen "Risiko-Rationalitäten" und Maßnahmen sehr kritisch. Genau dieses Dynamik hat Michel Foucault in der Theorie der Gouvernementalität beschrieben. Ich gehe darauf auch im letzten Drittel meiner Masterarbeit ein, allerdings nur kurz, da es nicht mein direktes Thema war.
Kurz geht es darum, dass in solchen Zeiten Risiko-Rationalitäten und normativer Druck entstehen, mit denen Regierende und andere Entscheidungsträger Maßnahmen und Programme durchsetzen und institutionalisieren können, von denen sie immer geträumt haben, die vorab aber nicht möglich waren. Es gibt zu dieser Dynamik schon viele Beispiele in der Geschichte der Zivilisation, Foucault analysierte unter anderem die Pest.
Der normative Druck ist unglaublich derzeit, jeder wird zum Gesellschaftsfeind, der noch wagt sich mit anderen zu treffen. Der kurzfristige Höhepunkt die Meldung von gestern Abend:
Ministerpräsidenten Kretschmann aus Stuttgart, der
Renter attackiert, dass sie im Park ein Schwätzchen halten,
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/kretschmanndenktanausgangssperren-100.html
Sorry, aber ich glaube einfach nicht, dass die Motive nun wirklich die ehrliche plötzliche Sorge um das Gemeinwohl sind, wo kommt denn die auf einmal her? Wo war und ist sie bei den jährlichen Tausenden und Abertauschenden Toten durch Rauchen, Feinstaub, Ozon, Verschmutzungen durch Industrie, Kraftverkehr etcpp. Ganz zu schweigen von Kriegen und Deutschland als Rüstungsexport-Topverdiener. Allerdings sind solche Informationen unvergleichlich viel schwerer zu bekommen. Warum stören uns diese Toten nicht, aber die Toten aus der vergleichsweise kleinen Population, die an dem Corona-Virus sterben kann? Dieses Virus werden nach vielen Voraussagen nach und nach 70 Prozent der Bevölkerung bekommen, wir werden damit leben. Interessant, was die Virologin Prof. Dr. Moelling dazu sagt:
https://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=287252789375655
Gut, ich weiß, es geht "euch" darum, es zu verlangsamen, damit unsere marodes Gesundheitssystem damit noch klar kommt. Echt? Mir geht es um etwas anderes, das versuche ich gerade auf die Schnelle anzudeuten. Ich hoffe, ich habe noch die Zeit, meine Gedanken etwas ausführlicher zu reflektieren und zu begründen.
Und woher kommt eigentlich _unser_ plötzliches Vertrauen in die ehrliche Sorge ums Gemeinwohl bei Regierenden, Medien. Immer wussten wir, dass hinter jeder Rhetorik und Maßnahme handfeste andere Interessen stehen, starke Lobbys. Die kritische Distanz vermisse ich derzeit fast überall.
Ich bin sehr misstrauisch, dass es plötzlich nur noch eine homogene Corona-Werte-Welt zu geben scheint. Das meinte ich mit der Frage: Worum geht es eigentlich? Ich glaube, letztlich dreht es sich um unser Verhältnis zu Leben und Tod. Wir sind besessen von unserer Macht, die Natur zu beherrschen und wenn sich die Macht darin zeigt, Menschen, die ohne High-Tech-Medizin sterben würden, mit lebensverlängernden Maßnahmen bis zum allerletzten am Überleben zu halten, dann ist uns das auch jeden Preis wert. Ob oder wie ein Leben lebenswert wird, ist nachgeordnet.