Liebe Demo-Organisatoren,
danke, dass ihr die Initiative ergriffen habt. Ich hoffe, wir können irgendwas bewegen.
Ich bin alleinerziehende Mutter eines 14-Jährigen Jungen und kann eigentlich nur noch sagen: Ich gehe auf dem Zahnfleisch.
Seit Wochen und Wochen schlagen wir uns Tag für Tag mit Schulaufgaben herum, mein Sohn muss zu allem motiviert werden und bei fast allem macht er es zunächst falsch, liest die Aufgabenstellung nicht richtig oder kann es einfach nicht allein.
Er ist eigentlich ein helles Kerlchen (sagen auch viele andere), hatte nach der Grundschule die Gymnasialempfehlung, war bis Dezember letzten Jahres aber auf einer Gesamtschule ohne Noten. Dann sind wir nach München gezogen, dort besucht er auch eine Gesamtschule, wiederholt die 7., in der es nun darum geht, dass sie zum Ende des Schuljahres eingestuft werden, ob Gymnasium, Real- oder Mittelschule.
Also ist es auch nicht so egal, wie er dieses Jahr abschneidet.
Ich bin wütend über das, was ich von den LehrerInnen mitkriege: Sie machen es sich aus meiner Sicht total leicht, kann es sein, dass sie froh sind, dass sie ein paar zusätzliche Wochen Auszeit von ihrem zugegebenermaßen sehr anstrengenden Beruf haben? Ich verstehe z.B. nicht, dass der Lehrer, wenn mein Sohn die in Mathe gemachten Arbeiten/Arbeitsblätter mailt, nicht wenigstens ein persönliches Feedback gibt, auf die Fehler eingeht, so dass mein Sohn daraus lernen könnte. Eigentlich müssten die Lehrer ja nun relativ viel Zeit haben, so dass sie die Zusendung ihrer Schüler individuell beantworten könnten.
Nun habe ich mehrmals gehört, dass die Lehrer allen Ernstes dafür sind, dass viele Schüler das Schuljahr wiederholen. Machen sie es sich da wieder zu leicht? In unserem Fall jedenfalls geht das nicht, da mein Sohn die 7. ja schon zum zweiten Mal macht aufgrund unseres Umzugs.
Was die Arbeitsaufträge angeht, so sind mindestens die zeitlichen Vorgaben für uns überhaupt nicht zu schaffen. Ich hänge mal ein Französisch-Aufgabenblatt an, wo die Lehrerin die Zeiten angegeben hat. Ich habe den Überblick etwas verloren, ich glaube aber, dass mein Sohn mind. 5 - 10 x so lange gebraucht hat.
Bislang konnte ich überhaupt nur deshalb meinen Sohn so viel unterstützen, weil ich eine 25-Stunden-Woche hatte, ab 14.4. werde ich aber Vollzeit arbeiten, und habe keine Ahnung, wie es dann gehen soll. Wenn ich nicht da bin, hängt mein Sohn auch viel zu viel vor Computer, Handy oder Playstation. Da wir ja noch nicht so lange hier wohnen, hat er auch noch kaum Kontakte zu Gleichaltrigen, aber selbst wenn, sollte er sie ja nicht haben. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn, welche Spuren diese Isolation und dieses Zuhause-Hocken wohl hinterlässt.
Ich kann nicht verstehen, dass nicht wenigstens Schulen und Kindergärten geöffnet werden. Ich hänge mal zwei Ausschnitte aus dem Presseclub vom 5.4. an, wo der Korrespondent aus Schweden berichtet, dass dort bewusst Schulen und Kitas geöffnet bleiben, weil sie nicht wollen, dass "die Kinder die Opfer bringen, um die Älteren und die Risikogruppen zu schützen".
Bei uns ist es genau anders herum, die Kinder "bringen die Opfer" - nicht nur mit ihrer Bildungsbenachteiligung, sondern auch mit handfesten Gefährdungen: Die Fälle der Kindeswohlgefährdungen sind extrem angestiegen, die Jugendämter arbeiten nur eingeschränkt, und es sieht fast so aus, als würde die Entlastung der Familien durch Schulen und Kitas auch nach den Osterferien nicht kommen. Dennoch wird bei uns fast ausschließlich das moralische Dilemma diskutiert, in das Ärzte geraten, wenn sie mehr Intensivmedizinische Fälle haben als Behandlungsplätze. Das Dilemma, das Kinder gefährdet werden, um Ältere und Risikogruppen zu schützen, wird nicht thematisiert. Stattdessen wird mit Generalilsierungen à la "wir tun alles, um die Schwächsten zu schützen" argumentiert und verdeckt: Worauf bezieht sich alles, was genau wird getan, um wen zu schützen und wer wird nicht geschützt ? die Tilgungen und Generalisierungen, die jetzt kaum hinterfragt werden dürfen, die "Alternativlosigkeit" und die überwältigende Zahl der Ja-Sager (93%) empfinde ich als sehr beunruhigend. Ich erlebe das als manipulative, nicht transparente Sprache und Politik.
Hoffnungsvolle Grüße, dass diese und andere Protestaktionen uns der Öffnung von Schulen und Kitas näher bringen,
vielen Dank